ganz normale
hundesprache
‚Der hat mich aber nicht anzuknurren!‘
So oder so ähnlich höre ich es immer wieder von Neukunden, wenn sie sich wegen Aggressionsproblemen an mich wenden, speziell wegen Aggressionsverhalten des Hundes gegenüber dem Menschen und hier vor allem innerhalb der Familie.
Es ist nicht schön, wenn einen der eigene Hund anknurrt. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Doch der Hund hat immer einen Grund dafür!
Zunächst einmal ist Knurren ganz normale Hundesprache. Hunde kommunizieren normalerweise sehr fein über ihre Mimik, Körpersprache und Bellen oder … in letzter Instanz … eben auch Knurren. Knurren ist also eine letzte Warnung, bevor der Hund wirklich unangenehm wird!
Viele HundehalterInnen können ihre Hunde leider schlecht lesen und ignorieren somit häufig alle Vorzeichen, mit denen ihr Hund ihnen mitteilen will, dass ihm etwas unangenehm ist, dass seine Individualdistanz unterschritten wird, dass der Mensch grad übergriffig wird. Was bleibt ihm also letztlich übrig?
Wenn mir jemand immer wieder blöd kommt – und das kann auch jemand sein, der mir nahe steht – und auf meine ensprechenden Hinweise nicht reagiert, dann stehen die Chancen gut, dass ich irgendwann sehr deutlich und unangenehm werde. Ist doch logisch, oder?
Was passiert also bei Hunden in solchen Situationen?
Gut sozialisierte und habituierte Hunde durchlaufen in ihrer Kommunikation die gesamte Eskalationsleiter, bevor sie knurren oder gar mehr:
Stufe 1: Leichte Konfliktsignale = Züngeln, Blinzeln, Gähnen, Schmatzen, Blick abwenden
Stufe 2: Beruhigungssignale = Kopf / Körper abwenden, Weggehen, Rücken zeigen
Stufe 3: Ersatzhandlungen = Kratzen, Leine beißen, Buddeln, Vorderkörpertiefstellung
Stufe 4: Starke Konfliktsignale = Abducken, Einfrieren, Bellen
Bis hierhin ist alles noch gut lösbar, sofern der Mensch die Signale erkennt. Ab hier wird es deutlich schwieriger, die Situation zu entschärfen:
Stufe 5: Distanzsignale = Fixieren, Knurren, Zähne zeigen
Stufe 6: Drohsignale = Anrempeln, in die Luft (ab)schnappen
Stufe 6: Letzte Warnung = Zupacken / Beißen ohne Verletzung
Stufe 7: Kampf = Ungehemmtes Zupacken / Beißen.
Die gleiche Eskalationsleiter gilt übrigens auch für Hund / Hund-Konflikte. Wer genau hinschaut, hat also viel Zeit, um die Situation zu entschärfen oder sogar aufzulösen durch ruhiges Abwenden, Hände wegnehmen, Distanzvergrößerung / Weggehen und / oder anderes.
Wer aber die ersten vier Stufen ignoriert, der läuft Gefahr, in einen ernsthaften Konflikt mit seinem Hund zu geraten.
Nun gibt es natürlich Hunde, die aus welchen Gründen auch immer die Hundesprache nicht so gut erlernt haben. Es gibt auch Hunde (wie z.B. Schäferhunde), die tendenziell häufig rempeln, ohne dass dies unbedingt als Drohverhalten zu werten wäre. Dennoch lohnt auch hier immer ein genauerer Blick auf die Situation.
Zuguterletzt gibt es leider auch Hunde, denen das Vorwarnen und speziell das Knurren abgewöhnt wurde, weil bzw. indem der Mensch diese Verhaltensweisen immer wieder gedeckelt hat. Das sind dann die äußerst seltenen Exemplare, die tatsächlich ohne Vorwarnung und aus dem ‚Nichts‘ heraus beißen, weil sie gelernt haben, dass jegliches Vorwarnen durch Knurren & Co. leider nicht hilft. Diesen Hunden muss man das Knurren usw. erst mühsam wieder beibringen.